Ein erfolgloser Drehbuchautor mit Amok-Phantasien. Eine ehemalige Drogendealerin, die zum Internet-Troll umgeschult hat. Eine Professorentochter, die zum Islam konvertiert und ihr darüber verzweifelnder Vater. Ein drogensüchtiger Popstar und sein Manager. Ein koksender Trader, eine obdachlose Hundeliebhaberin mit großem Gerechtigkeitssinn und eine ehemalige Pornodarstellerin. Ein rechtsradikaler H&M-Verkäufer und sein Kumpel, eine einsame Staatsbeamtin, ein krankhafter Frauenschläger und eine Kellnerin mit Talent zum Tätowieren. Sie alle bevölkern das Leben des Vernon Subutex, seines Zeichens bankrott gegangener Plattenhändler ohne Dach über dem Kopf. Ihnen allen verleiht die französische Schriftstellerin, Musikerin und Filmregisseurin Virginie Despentes („Baise Moi!“, „King Kong Theorie“) eine Stimme. Sie alle träumen von einem anderen besseren Leben, auf ganz unterschiedliche Weise.
„Das Leben des Vernon Subutex“ gilt als der Gesellschaftsroman unserer Zeit, als „Die menschliche Komödie“ (Balzac) des 21. Jahrhunderts. Regisseur Stefan Pucher, der zuletzt an den Kammerspielen „América“ von T.C. Boyle und „Wartesaal“ inszeniert hat, bringt Vernon Subutex und seine Bande auf die Bühne der Kammerspiele.
Pucher und sein Dramaturg Tarun Kade schaffen es, dieses breitwandige Gesellschaftspanorama unseres Nachbarlandes vor und nach den islamistischen Anschlägen von Nizza und auf ein Rockkonzert im Pariser Bataclan zu verdichten. Aus mindestens zwei Wochen Lesezeit werden drei Theaterstunden. […] 'Vernon Subutex' ist vor allem hervorragendes Schauspielertheater. Und das ist ein Plus, für Leser und für Nichtleser der Roman-Trilogie.
Jelena Kuljić ist Subutex. Anders als in den Romanen, in denen Vernon sonnambul mit seinen Platten verzaubert, singt sie auch. Das kann sie wunderbar. Fabelhaft etwa die Version von Leonhard Cohens Vermächtnisstück „You Want It Darker“ – bei Pucher ist Vernon aktiver Künstler, ist einmal auch Jesus, Leidensgestalt mit Ingmar-Bergman-Kunstappeal.
Wenn Kuljić so berührend die erste Strophe anstimmt „If you are a dealer, I'm out of the game/If you are the healer, it means I'm broken and lame“, wird klar, was der Romanvorlage abgeht – und das Theater liefern kann: Sound. Denn Musik ist Trumpf in den Büchern von Virginie Despentes.
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