Melancholia

von Lars von Trier  

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Schauspiel 
Kammer I  

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Information

Dauer
120 Minuten
Musik
Christian Naujoks  
Bühne
Kammer I  

Beschreibung

„Eine Frau zu sein, bedeutet noch immer, im rein Psychologischen gefangen zu sein. Ganz egal, wie leidenschaftslos oder groß die Vision von der Welt ist, die eine Frau ausformuliert – wann immer diese Vision ihre eigene Erfahrung und Emotion beinhaltet, wird das Teleskop auf sie selbst zurückgerichtet.“ (Chris Kraus, „I Love Dick“)

Justine sehnt das Ende der Welt herbei, dabei scheint von außen betrachtet in ihrem Leben alles bestens zu laufen. Ihr Freund Michael liebt sie mit Hingabe, ihre Schwester Claire hat für sie ein aufwändiges Hochzeitsfest auf dem wunderschönen Landsitz Eremitage organisiert. Der Chef der Werbeagentur, in der sie arbeitet, behandelt sie als „High Potential“ und befördert sie zum Art Director. Doch all das kann Justine nicht erfreuen. Sie spürt, dass die Welt um sie herum nicht so heil ist, wie die anderen behaupten. Sie sieht, was alle anderen verleugnen: die Katastrophe ist bereits eingetreten. Erst als der Planet Melancholia auf die Erde zurast und eine Kollision unausweichlich ist, wird sie ruhig. Ist Lars von Triers Filmkunstwerk „Melancholia“ die Geschichte einer kranken Frau? Oder ist es eine Erzählung über eine Welt, der man mit Recht den Untergang wünscht? Ist das Ende ein Grund, sich in Düsterkeit zu versenken? Oder kann man ihm gar voller Optimismus entgegensehen? Was geschieht, wenn Planeten ihre gewohnte Umlaufbahn verlassen, und aufeinander treffen? Bei von Trier steckt in der Aussicht des Endes auch die Möglichkeit, dass sich die Dinge noch einmal wenden. Vielleicht zum Besseren.

Felix Rothenhäusler inszenierte an den Kammerspielen zuletzt Ryan Trecartins „The Re’Search“ und Eugène Labiches „Trüffel Trüffel Trüffel“. Lars von Triers apokalyptische Überwältigungsoper „Melancholia“ wird bei ihm zum lustvoll-transparenten Sprech-Denk-Spiel. Das Ende der Welt – etwas ist möglich.

Kritiken

Bild eines*r Kritikers*in

Julia
Schleier

Theatertanten

Besuchte Vorstellung: 17. Juni 2019

Wie inszeniert man einen so bildgewaltigen Film wie Lars von Triers Melancholia am besten auf der Theaterbühne? Ohne Bühnenbild. Das müssen sich Felix Rothenhäusler (Regie) und Katharina Pia Schütz (Bühne) wohl bei der Konzeption der Melancholia Inszenierung an den Münchner Kammerspielen gedacht haben. Eine erstmal abwegige Entscheidung, find ich. Schließlich ist bei Lars von Triers Filmen nicht unbedingt der gesprochene Text das Element, an das man sich am ehesten erinnert, sondern die Bilder. Warum also den „nackten“ Text auf die Bühne bringen?

Lars von Trier gilt als der Skandalregisseur des europäischen Kinos. Seine Filme werden nicht selten als zu brutal, gewaltverherrlichend oder verstörend betitelt. In Rothenhäuslers Inszenierung fällt die Bildgewalt weg und die Darsteller*innen erzählen uns die Geschichte von Lars von Triers apokalyptischem Filmkunstwerk Melancholia nur durch ihre Sprache.

Die zentrale Figur des Stücks ist Justine, gespielt von Julia Riedler. Im ersten Teil der Inszenierung lernen wir sie als depressiv kennen, als eine Frau, die den nahenden Weltuntergang prophezeit. Ein blauer Planet soll schon bald mit der Erde kollidieren. (Captain Obvious Alarm: auf ihrer Jogginghose steht in fetter Schrift „VISION“.) Justines Umfeld weiß nicht so recht damit umzugehen, weder mit ihren Prophezeiungen noch mit ihrer Krankheit, und kämpft in Form von Justines Schwester Claire stark dagegen an. Glauben tut ihr niemand. Irgendwann im Stück kommt sogar die Frage auf, ob man denn komplett glücklich sein muss. Ob das das Ziel ist und ob das überhaupt möglich ist. Ich glaube, das hat Justines Mann Michael gefragt. Laut ihm könne man höchstens zufrieden sein, was die Gravität von Justines Depression total runterspielt. Im zweiten Teil merkt dann jeder, dass sie Recht hatte; Justines Blick stellt sich als der einzige Reale heraus. Plötzlich ist der blaue Planet „Melancholia“ schon gar nicht mehr weit weg. Was im Storytelling auffällt: der Film beginnt in der Ouvertüre mit der Kollision der Erde und Melancholia; mit Melancholias Todestanz. In der Theaterinszenierung trennt diese Prophezeiung den ersten Teil der Inszenierung vom zweiten.

Die Handlung wird hauptsächlich durch Sprache erzählt. Es gibt kein Bühnenbild – Rothenhäusler vertraut auf die Wortkulisse. Lediglich 12 Scheinwerfer, die ab und zu heller oder dunkler aufleuchten, sorgen für visuelle Abwechslung. Dieser Tatsache muss ich mir zwischendurch immer wieder bewusst werden, denn die Bilder in meinem Kopf sind detailliert und beinah real. Nach der Vorstellung war mein erster Gedanke: Krass, ich fühl mich wie nach einem richtig guten Hörspiel. Und das mein ich im bestmöglichen Sinne, denn das Spiel der Darsteller*innen hat unglaublich starke Bilder gezeichnet und in meinem Kopf erschaffen, sodass mir das Bühnenbild garnicht gefehlt hat. Dazu tragen auch die Szenenbeschreibungen bei, die zu dem im Film gesprochenen Text ergänzt wurden. Justine sagt sowas wie „Ich stehe im Stall und streichel das Pferd Abraham. Ich ziehe die Schuhe aus.“ Das sehen wir im Film nur, hier hören wir es und stellen es uns vor.

Schauspielerisch sticht für mich eindeutig Gro Swantje Kohlhof hervor. Sie spielt Justines Neffen Leo gleichzeitig naiv und verstörend. Ihr Dolch-Song amüsiert mich, vor allem, weil sie ihren Mund beim Sprechen so unangestrengt öffnet wie ein Kind. Creepy und/aber großartig!
Christian Naujoks ist als Live-Musiker mit auf der Bühne. Er steuert die Musik über ein kleines tragbares Pult (entschuldigt mein fehlendes Fachwissen) und die Töne, die er erzeugt sind intensiv, atmosphärisch und elektronisch. Was mir musikalisch außerdem gut gefallen hat: Gro Swantje Kohlhof und Christian Naujoks singen einen Teil von Billie Eilishs „You should see me in a crown“. So geil! Der Song ist aber nicht nur deshalb toll, weil er von Billie Eilish ist, sondern passt auch durch Lines wie „Tell me which one is worse, Living or dying first“ genau ins Konzept.

Julia Schleier   // Theatertanten

Zum Schauspielereignis gerät diese Neuinszenierung freilich durch das Frauenduo der beiden Schwestern Justine und Claire: Hinreißend wie Julia Riedler den Wandel von der zunächst so erfolgreichen und vor Lebensfreude schier übersprudelnden Karrierefrau überzeugend darstellt, Michael voll erotischer Hingabe bezirzt und als blondes Partygirl mit dem Publikum lasziv flirtet. Doch zunehmend verfinstert sich ihr Gemüt. Immer trauriger wird sie, melancholischer und letztlich lebensnegierend. Eine schauspielerische Glanzleistung, die darin gipfelt, minutenlang schweigend und apathisch im Zuschauerraum zu sitzen und dabei ihrer Verzweiflung und ihren seelischen Wunden nachzuspüren.
Eine Szene, die selbst hartgesottenen Zuschauern sehr nahe geht. Und nicht minder faszinierend Eva Löbau als Justines Schwester Claire: ein Fröhlichkeits- und Harmoniebolzen mit Sinn für pragmatische Lösungen.

Hannes S. Macher   // Donaukurier

Dem Regisseur gelingt es, von Triers Film in die Sprache des Theaters zu übersetzen und dabei – zusammen mit seinem gut aufgelegten Ensemble – einen eigenständigen, stimmigen Abend zu kreieren. [...] Die fünf Darsteller auf der Bühne erzählen die Filmhandlung nach, sie reden dabei vor allem über- anstatt miteinander. Das treibt das Gefühl der Isolation, der Fremdheit sehr viel weiter, als es auf der Kinoleinwand möglich ist.

Michael Schleicher   // Münchner Merkur

Es ist der Abend zweier Frauen. [...] Eva Löbau erzählt und spielt Claire. Sie ist das emotionale Moment der Aufführung, erst ostentativ lebensfroh, dann restlos verzweifelt. Man kann sich ihre Claire als die eine Seite derselben Figur denken, deren andere Julia Riedler ist. Sie ist Justine. Aber sie spielt Justine nicht depressiv, sondern durchscheinend, fragil.

Egbert Tholl   // Süddeutsche Zeitung

Acht Jahre später lassen Regisseur Felix Rothenhäusler und sein Dramaturg Tarun Kade an den Münchner Kammerspielen den Untergang der Erde im Präsens nacherzählen – von denjenigen, die ihn erlebt und damit eigentlich nicht überlebt haben. Insofern kann das Münchner Ende nicht das Ende sein. Noch nicht. Nur eine Warnung, die ohne Zeigefinger auskommt und ohne Special Effects. [...] Mutig ist dieses Erzähltheater allein auf den Zuschauer ausgerichtet. Das niedrige schwarze Plateau, das die Bühne ausfüllt, signalisiert die Versuchsanordnung.

Theresa Grenzmann   // Frankfurter Allgemeine Zeitung

Rothenhäuslers Ansatz ist keineswegs so düster, wie man es angesichts des drohenden Weltuntergangs vermuten würde. Er strebt ein „Theater der Potentialität” an, dass die Perspektive vom Ende der Möglichkeiten zur Möglichkeit der Veränderung verschieben will, so analysiert es der Theaterwissenschaftler Nikolaus Müller-Schöll in einem Text zum Stück.

Annette Walter   // taz

Bewertungen

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Mitwirkende

Besetzung  

Darsteller*in
Majd Feddah  
Darsteller*in
Thomas Hauser  
Darsteller*in
Gro Swantje Kohlhof  
Darsteller*in
Eva Löbau  
Darsteller*in
Julia Riedler  

Weitere Hinweise

Hinweise
Premiere am 15. JUNI 2019

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