Passing

It‘s so easy, was schwer zu machen ist  

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Schauspiel 
Kammer I  

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Bühne
Kammer I  

Beschreibung

Warum war ich so glücklich? Und ich wünschte, die Frage würde mich nicht mehr interessieren. Warum war ich so glücklich? Ich hatte so einen banalen und schönen Alltag wie jedermann. Es war endlich mal langweilig, sowas kannte ich gar nicht. Es war einfach normal, und ich war zum ersten Mal glücklich. Natürlich waren wir beide nicht normal, aber zusammen irgendwie schon. Ich war so glücklich, ich kann es überhaupt nicht sagen. Vielleicht weil es mir so vorkam, als hätte das alles nebenan stattgefunden. Mir kam es so vor, als wäre ich in etwas hineingeraten, das nebenan stattfindet. Das war gar nicht meines, und deshalb war ich so glücklich. Das, was nebenan gesprochen wird, das kann man akzeptieren. Das ist wie im Theater. Die Leute gehen deshalb ins Theater, weil sie wissen, es passiert nebenan. Das Wichtigste passiert immer nebenan. Dabei müssen die nicht mal neben einem Theater wohnen. Das, was sie Bock hätten zu sagen, das, was wirklich mit ihnen zu tun hat, passiert mit einem ganz anderen Text, und nicht mit irgendeinem eigenen. Das ist eben nicht auf direktem Weg zu haben, das, was man gerne sagen will. Direkt, was soll das auch sein? Nein, ich will meine eigenen Geschichten nicht hören, ich will sie auch nicht erzählen. Ich weiß ja von Anfang an, ich bin eher der Text, der nichts mit mir zu tun hat.

René Polleschs Stücke arbeiten mit den Mitteln der Theorie an der Befreiung des Denkens aus dem „Common Sense“. In seinen Arbeiten werden komplexe Ideen konkret, abstrakte Begriffe körperlich. Mit „Passing – It’s so easy, was schwer zu machen ist“ inszeniert Pollesch zum ersten Mal seit 2013 wieder an den Münchner Kammerspielen.

Kritiken

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Max
Kuhlmann

qooz - aus dem Leben

An Drahtseilen auf- und abfahrend, nicht bedrohlich, nicht ekelhaft – wie einst Tarantula, die im Hintergrund in Filmausschnitten längere Zeit zu sehen ist – ,ihr Inneres kann bestiegen werden, sie sitzen teils im Inneren.
Auf www.nachtkritik.de ist die Spinne beschrieben als „Porsche Cayenne-gleiche Spinne“. In der Tat, nicht schwarz, nicht behaart, fast schick, modern, wie das Interieur eines hochklassigen PKW – orangefarben, schwarz, silberne Metallzusätze. Auf dem Weg zu Künstlicher Intelligenz.
Nicht nur mit der Spinne greift René Pollesch im Grunde zunächst einmal in eine Zeit zurück, die nicht mehr existiert. Blicke in die Zeit der 70er-Jahre sind es. Auch die SchauspielerInnen sind – in amerikanischem Style – in dieser Zeit – der Zeit der Tarantulafilme, der B-Movies – gekleidet. Und Filmausschnitte alter Streifen eben – schwarzweiß – sieht man. Auch Tarantula. Andererseits die „moderne“ Spinne auf der Bühne, das ist der Widerspruch an diesem Abend, mit dem man umgehen muss.
Verbunden sind beide „Zeiten“ durch zeitlose Themen, über die alle – ohne erkennbare Orientierung – reden. Inhaltlich kann man den Abend kaum genauer beschreiben, geschweige denn zusammenfassen. Man beobachtet eine Gruppe von Menschen (sechs Personen), wie sie sich letztlich Gedanken macht zu diesen Themen – Text, Theorie, Sprache, René Pollesch eben, ein wenig Kapitalismuskritik, Bertolt Brecht, das Theater ( … das Theater müsste ein Flugblatt sein, dann könnten es auch die sehen, die am Boden liegen …), das Leben.
Es hat mit Themen zu tun, die wohl nach René Polleschs Ansicht zeitlos und auch jetzt zeitgemäß sind. „Passing“ heiße „… durchgehen als …„, eines der Themen, über die geredet wird. Sinngemäß: „Wir wollen nicht sein, was wir sind – das können wir garnicht -, wir wollen „durchgehen als …„“. Passing eben. Wie Schauspieler. Oder sinngemäß: „Im Grunde wollen wir, dass immer nur etwas „nebenan“ geschehe, nicht unmittelbar mit uns„: Und alle sagen etwas dazu.
Handlung? Ein Film wurde gedreht. Im Abspann heißt es aber nicht „Ende“, sondern „Fertig!“. Der Regisseur – Thomas Schmauser – regt sich auf, versteht es nicht. Auch die Anderen – Kathrin Angerer, Kinan Hmeidan, Kamel Najma, Benjamin Radjaipour, Damian Rebgetz – überlegen, sind verwirrt. Und schon ist man im ersten Thema: Was ist schon jemals „zu Ende“? Und „Fertig“: „Fertig“ als abgeschlossen, „fertig“ als erschöpft, am Ende, oder was? Und sie reden.
Was überzeugt und Spaß macht, sind die SchauspielerInnen: Kathrin Angerer – die herrlich Harmlose, Unbedarfte. Benjamin Radjaipour – der junge Schlaue, Thomas Schmauser – der aufgeregte Regisseur/Filmproduzent. Diese Drei spielen wunderbar! Sie machen den Abend zu einem doch noch gelungenen Abend! Damian Rebgetz – amerikanischer Cop der 70er Jahre – ist als Einziger nicht genau einzuordnen, hatte vielleicht auch am ehesten Schwierigkeiten damit. Und Kinan Hmeidan und Kamel Najma – meist in ihrer Muttersprache redend.
Realitäten und Gedanken ändern sich. Entsprechend ändern sich Blicke. Man merkt es ja immer wieder am Theater. Und wie ist es bei René Pollesch, Ikone der Theaterwelt der letzten 30 Jahre? Ganz zeitgemäß sind seine Themen in „Passing“ nicht, fand ich, es gibt Brennenderes. Gut, Theater muss nicht „zeitgemäß“ sein, muss nicht immer die Finger in die Wunde legen! Aber wenn man René Polleschs Herangehensweise etwa mit Milo Rau, Forced Entertainment, vielen anderen vergleicht: René Polleschs Abend hatte dann etwas Altbackenes, etwas die zurzeit brennende Welt Verharmlosendes. Muss auch mal sein, könnte man sagen!
Kleine „Abschweifungen“ zur Realität noch: Wir stecken in ihr fest, so ist es! Darum geht es! Noch dazu ist es ja so: Der Mensch findet keine guten Lösungen für die Realität! Er bemüht sich, aber meist geht es schief. Unfähig sind wir! Man sieht es weltweit! Hier und da gibt es eine gute Lösung, aber im Grunde: „Fehlanzeige“!
Es geht daher darum, Alternativen zur Realität zu erkennen, das ist unsere einzige Chance! Und gerade die Kunst – dazu gehört die Theaterkunst – ermöglicht es, solche Alternativen zur Realität aufzuzeigen, aufzuspüren! Und die Realität zu kritisieren! Zu zeigen, wie man die Dinge auch sehen kann, wie man sich in ihr verhalten könnte, sie verändern könnte, sie sich wünschen kann …. jede Kunst schafft subjektive Möglichkeiten, uns von der Fessel der Realität zu lösen … was immer dringend nötig ist, immer gut tut.
Nur den Blick auf die letztlich in die Irre führende Realität gerichtet, verlören wir unser Kritikbewusstsein, bekämen einen Tunnelblick, würden Alternativen nicht erkennen, würden Toleranz verlieren, würden uns und die Realität für das Wahre halten, würden an der Realität scheitern, verzweifeln! Wir würden übersehen, auf welch verschiedene Arten wir die Realität sehen und gestalten könnten. Wir würden uns und die Realität mehr und mehr verkennen! Man stelle sich vor, es gäbe nur die Realität – was auch immer die Realität ist, jeder hat ja seine eigene Realität.
Fazit: Ein recht amüsanter Theaterabend, nicht aufregend.

Max Kuhlmann   // qooz - aus dem Leben

Am Ende steht der Mensch. Mit leuchtenden Augen sitzt er am Spinnrad, versunken in die endlose Arbeit an seiner tentakulären Identität.

Der Kuss der Theaterspinne

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Und als über die Szene eine Leinwand fällt und darauf die Schaupieler*innen projiziert werden, wie sie zu „Sound of Music“ auf dem mit einem Alpenpanorama bedruckten Bühnenboden, durch den blauen Himmel planschen, dann möchte man ihm glauben. Ihm, Pollesch, der großen Penelope am Webstuhl Theater, die die unwahrscheinlichsten Schicksalsfäden zusammenspinnt und löst, in der heroischen Behauptung des utopischen Potentials der Kunst. Da fühlt sich dann doch jeder gefangen im undurchsichtigen Spinnengewebe der Erzählungen aus dem, was war, ist und gewesen sein wird. Und was ist Theater, wenn nicht genau diese pure Melancholie der Präsenz.
(...)

Maximilian Sippenauer   // nachtkritik.de
Wer bin ich, und wenn ja, wie lustig?

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Im Zentrum dieses Behauptungs-Halligallis hängt eine gigantische Spinne von der Decke, die Nina von Mechow entworfen hat und die so herrlich ihre Augen öffnet und schließt, mit den acht Beinen wackelt, dass Regisseur Ulrich Rasche und seine Brutal-Maschinen eigentlich nach Hause gehen können.
(...)

Christiane Lutz   // Süddeutsche Zeitung

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