DER DRANG

Volksstück von Franz Xaver Kroetz  

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Schauspiel 
Marstall  

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Information

Altersempfehlung
Ab 16 Jahren
Dauer
125 Minuten
Pause
Eine Pause
Sprache
Deutsch
Bühne
Marstall  

Beschreibung

«Was man will, ist der Instinkt. Und ohne einen Instinkt ist man verloren.»


Franz Xaver Kroetz' Stücke sind immer beides: Skandal und normal. Sie erzählen vom Volk und seinen Abgründen, also eigentlich dem ganz normalen Leben. So auch im Volksstück «Der Drang», das in der Urfassung «Lieber Fritz» bereits 1975 als «Sexualkomödie» für Furore sorgte.


Kroetz erzählt aus dem Leben des Friedhofsgärtnerpaars Hilde und Otto, bei denen es im Bett so frustrierend ist wie beim Kranzbinden für die Beerdigungen. In die triste Idylle kommt Fritz, Hildes Bruder. Er saß wegen Exhibitionismus im Gefängnis, hat sadistische Neigungen, die er jetzt mit Pillen zu unterdrücken sucht. Er findet Arbeit, Bett und Verständnis bei den beiden. Otto, der bei seiner Frau sexuell nicht findet, was er braucht, erregt sich am Anderssein des Schwagers, will ihn zur Wiederholungstat provozieren. Fritz widersteht auch Mitzi, einer vereinsamten Mitarbeiterin, die ihn bedrängt. Abgewiesen und sexuell bedürftig finden Mitzi und Otto zueinander, «lassen die Sau raus» und machen das, was sie Fritz als Perversion unterstellen. Ehefrau Hilde ist eifersüchtig und entwickelt andere Gelüste: Mordgelüste.


Ist es die Lust am Verbotenen, die Neugier aufs Anderssein, oder sind es schlicht Vorurteile, die einerseits faszinieren und andererseits Abwehr hervorrufen? Hassen und lieben, Opfer wie Täter*in sein, ist dieser allgemeine Drang die (un-)heilige Ambivalenz der Gerechten?


Nach «Agnes Bernauer» steht mit «Der Drang» ein weiteres Stück von Franz Xaver Kroetz auf dem Spielplan des Residenztheaters.

Kritiken

Lydia Steier inszeniert eine reine Achtzigerjahrehölle - es ist zum Schießen

Blake Palmer hat ein hübsches, rundes Ding auf die Bühne gestellt, ein blinkendes Karussell, in das wie Tortenstücke vier enge, pastellfarbene Räume eingebaut sind, und weil das Ganze in einer Friedhofsgärtnerei spielt, stehen auch ein paar Grabsteine und ein Gewächshaus herum. Zu Beginn hört man von Nicki "Wenn i mit dir tanz" - nicht nur vom durchlaufenden Schlagersoundtrack, auch von der Ausstattung her ist die Inszenierung die reine Achtzigerjahrehölle, aber barocke Trompetenpracht gibt es auch, dann nämlich, wenn die Gelüste am anderen Leib mal Erfolg zeitigen.

Das ist zunächst nicht der Fall. Die Hilde und ihr Mann Otto, denen die Gärtnerei gehört, versuchen sich am Beischlaf, und nicht nur weil Nicola Kirsch und Christoph Franken in Kostümen stecken, die ihre Physiognomien ausbeulen, und ihre Gesichter solariumrot sind, ist dies ein freudloses und deshalb für das Publikum sehr lustiges Unterfangen. Der Otto würde auch gern mal hinten rein, das will die Hilde schon gleich gar nicht, und später kommentiert der Otto das mit den Worten: "So fad wie das Vögeln mit der da ist mir nicht einmal das Scheißn, da hab ich wenigstens die Süddeutsche dabei." Danke, Herr Kroetz, für diese Hommage.

Dann kommt der Fritz, der Bruder von der Hilde (mit dem "Drang" schrieb Kroetz sein Stück "Lieber Fritz" von 1971 fort). Der Fritz war zwei Jahre im Gefängnis, weil er seine exhibitionistischen Anwandlungen nicht im Zaum hatte, jetzt wird er zum auslösenden Moment, und Vincent Glander schaut dabei ganz verdattert, bevor er eine glanzvolle Broadwaynummer hinlegt. Zunächst aber fällt die Mitzi, die auch in der Gärtnerei arbeitet, über den Fritz her, weil sie ihn für einen Sadisten hält und das interessant findet, dann vögelt sie sich mit dem Otto gymnastisch anspruchsvoll durch alle Räume des Tortenstückhäuschens, bis die vor Eifersucht rasende Hilde mit dem Vorschlaghammer der Ausstattung den Rest gibt.

Bei diesen Vorgängen leuchtet die süchtig machende Sprache von Kroetz in allen möglichen Kunstdialektfarben, alle vier spielen aufgedreht herrlich, und Liliane Amuat, die Mitzi, erweist sich als begnadet überlegene Komikerin. Der Erkenntniswert tendiert zwar gegen null, aber das Publikum kichert und gackert unentwegt, der anwesende Autor ist glücklich, und man selbst fragt sich, ob man in diesen Zeiten lachen darf, wenn man lachen muss. Nach der Aufführung sammeln die Schauspieler für die Ukraine; das Residenztheater bringt mit einem eigenen Lkw Hilfsgüter an die ukrainische Grenze und will mit Frauen und Kindern zurückkehren.

Egbert Tholl   // Sueddeutsche Zeitung

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Veranstalter
Residenztheater