Die tote Stadt

Im Rahmen der Münchner Opernfestspiele  

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Oper 
Nationaltheater  

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Information

Dauer
195 Minuten
Bühne
Nationaltheater  

Beschreibung

Die Grenze zwischen Traum und Realität löst sich zunehmend auf, als der um seine verstorbene Frau Marie trauernde Paul auf die Tänzerin Marietta trifft. Aufgrund ihrer äußerlichen Ähnlichkeit zu Marie wird Marietta zur Projektionsfläche für die erotischen Wünsche Pauls, dessen Trauer kultische Züge trägt: Die sorgsam aufbewahrte Haarsträhne der Verstorbenen wird wie eine Reliquie verwahrt. Nach einer nervenaufreibenden „Vision“ mit kathartischer Wirkung wird Paul schließlich in der Wirklichkeit geerdet. Er kann die Stadt Brügge als den Ort für seinen Totenkult verlassen. Der ursprüngliche Werktitel „Triumph des Lebens“ ist für die persönliche Entwicklung des Protagonisten bezeichnend.
Wenige Wochen vor der immens erfolgreichen Uraufführung von Die tote Stadt bezeichnete kein Geringerer als Giacomo Puccini den damals 23-jährigen Erich Wolfgang Korngold als „die stärkste Hoffnung der neuen deutschen Musik“. Arien wie „Glück, das mir verblieb“ und „Mein Sehnen, mein Wähnen“ gehören wegen ihrer melodischen Eindringlichkeit zum Konzertrepertoire zahlreicher Opernsänger und strahlen weit über die Bekanntheit der Toten Stadt hinaus.

Kritiken

Bild eines*r Kritikers*in

Ivana
Koschier

Theatertanten

Besuchte Vorstellung: 01. Dezember 2019

Die tote Stadt: Eine von Erich Wolfgang Korngold komponierte Oper, mit einem Libretto von Paul Schott; keine tatsächliche Person, sondern ein Pseudonym für die Zusammenarbeiten vom selben Korngold und seinem Vater Julius Korngold. Diese Inszenierung entstand bereits vor einigen Jahren in Basel, damals schon mit den großen Namen Simon Stone und Kirill Petrenko als inszenierende und musikalische Leiter und wurde schließlich nach München übernommen. Diese Namen waren mir natürlich ein Begriff, nur muss ich gestehen, dass ich vor meinem Besuch weder den Namen Korngold noch den Namen der Oper kannte. Das ist bei Opernkennern sicherlich anders, wurde Korngold Anfang des 20. Jahrhunderts doch als frischer Komponist mit neuem Opernklang gefeiert. Aber Jonas Kaufmann, den kannte ich natürlich vor allem und den wollte ich jetzt endlich mal live auf der Bühne erleben. Gesagt, getan, fand ich mich in der wunderschönen bayerischen Staatsoper wieder und die Vorhänge öffneten sich.

Paul hat seine Frau Marie an den Krebs verloren. Seitdem ist sein Leben geprägt von Trauer, der Einsamkeit ihrer gemeinsamen Wohnung und dem Andenken an seine Frau. Dieses pflegt er vor allem durch eine Art Altar, der sich in einem geheimen Raum voller Fotos der beiden befindet. Seine Frau verfolgt ihn, sie ist immer anwesend, egal wohin er geht und so besteht Pauls Leben beinahe gänzlich nur noch aus Erinnerung. Ein Leben im Jetzt ist unvorstellbar. Bis er Marietta trifft, die seiner Frau zwar ungemein ähnlich sieht, aber nicht ähnlich ist, da sie vor Lebensfreude und Energie nur so strotzt und hier den klaren Gegenpol darstellt. Sie lernen einander kennen und öffnen sich langsam, wobei Paul im Bezug auf Mariettas Lebensstil an seine Grenzen stößt. Die Tänzerin lebt frei und zwanglos, vor allem aber angebetet von vielen Männern, die sie nicht alle ablehnt und auch Paul muss sich seinen Sehnsüchten stellen, denen er nicht entkommen kann. Die Welten kollidieren und Pauls vergangenes Leben mit Marie verschwimmt mit dem Neuen um Marietta. Bald so sehr, dass weder er, Marietta noch das Publikum, die Realität von Traum und Erinnerung trennen können. Am Ende kommt der große Knall, die Eskalation, der Ausbruch und er tötet Marietta im Affekt. Bleibt nur die Frage, was davon letztendlich tatsächlich real geschehen ist. Mehr will ich hier gar nicht verraten.

Die Bühneninstallation ist schon wieder großartig. Die Zimmer der Wohnung sieht man immer wieder aus neuen Perspektiven: Von hinten, von der Seite, frontal, sodass man Manches auch nur geheim durch offene Fenster erkennen kann. Zudem werden die Räume immer neu zusammengesteckt, so ergeben sich immer neue Bilder. Nach der Pause wird die Wohnung sogar zweistöckig und gleich dem parallel stattfindenden Verfall der Realität, unübersichtlicher und abstrakter. Es bleiben aber immer dieselben Zimmer, mit derselben Einrichtung des damals so glücklichen Liebespaars. Der Umbau und der Einsatz der Räumlichkeiten in den Verlauf der Geschichte ist für mich unglaublich gut gelungen. Auch die Lichteffekte bleiben mir in Erinnerung, so passen bestimmte Farben immer wieder hervorragend zu den gerade aufkeimenden Emotionen und unterstreichen diese und auch die entstehende Traumwelt. Simon Stone hat mich hier mal wieder überzeugt.

Nun zu dem, was diesen Abend so besonders gemacht hat: Die Darsteller*innen. Die Performance von Jonas Kaufmann hat mich keineswegs überrascht, dafür umso mehr überzeugt. Er kann es einfach und so bestätigt sich für mich nur alles, was ich davor über ihn gehört hatte. Aber Marlis Petersen kann sowas von mithalten. Die Marietta singt und singt in Positionen, wo man meinen könnte, dass das annährend unmöglich sei. Und so gut. Ich verfalle immer wieder dem Bann der Beiden; ihre Leistung wird am Ende auch durch 30 Minuten Standing Ovations gebührend gefeiert. Selbst als fast das gesamte Publikum schon den Saal verlassen hatte, standen die Letzten noch vor der Bühne und ließen ihrer Begeisterung freien Lauf.

Auch ich komme erfüllt aus diesem Abend. Die Geschichte hat mich mitgezogen und überzeugt. Die Tiefe und Vielschichtigkeit um die tote Stadt, das Eintauchen in dieses Chaos im Inneren der Hauptfigur und dass man all das auf eigene Weise wahrnehmen und interpretieren kann; das nehme ich als etwas Besonderes auf. Hier wird einem nichts aufgezwungen. Und selbst wenn man mit diesem Traum-Realitäts-Wahnsinn nichts anfangen kann, sieht man zwei hervorragende Darsteller*innen – die um ihr Leben singen und spielen – sowie ein bemerkenswertes Ensemble und Kreativteam. Die Überraschungen, das Bühnenbild und der Einfallsreichtum machen das große Ganze nochmal schöner und sehenswerter und der gute Gesang und das Orchester natürlich hörenswert. Ich hatte einen wirklich guten Abend und werde versuchen öfter in die Oper gehen, das kann ich in diesem Fall wirklich nur empfehlen.

Ivana Koschier   // Theatertanten

Bewertungen

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Mitwirkende

Produktionsteam  

Musikalische Leitung
Kirill Petrenko  
Inszenierung
Simon Stone  
Mitarbeit Regie
Maria-Magdalena Kwaschik  
Bühne
Ralph Myers  
Kostüm
Mel Page  
Licht
Roland Edrich  
Chor
Stellario Fagone  
Dramaturgie
Lukas Leipfinger  

Besetzung  

Darsteller*in
Jonas Kaufmann  
Darsteller*in
Marlis Petersen  
Darsteller*in
Andrzej Filonczyk  
Darsteller*in
Jennifer Johnston  
Darsteller*in
Mirjam Mesak  
Darsteller*in
Corinna Scheurle  
Darsteller*in
Manuel Günther  
Darsteller*in
Dean Power  

Weitere Hinweise

Hinweise
Premiere am 18. November 2019
Neuproduktion
In deutscher Sprache mit deutschen und englischen Übertiteln