Amphitryon

Lustspiel von Heinrich von Kleist nach Molière  

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Schauspiel 
Residenztheater  

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Information

Altersempfehlung
Ab 15 Jahren
Dauer
105 Minuten
Bühne
Residenztheater  

Beschreibung

1807 erscheint Heinrich von Kleists «Amphitryon», erst zweiundneunzig Jahre später kommt das Stück zur Uraufführung. Als Grundlage dient Kleist Molières gleichnamige Komödie von 1668, die er zu einem Lustspiel umarbeitet – zu einem Kleist’schen Lustspiel, wohlgemerkt. Dem Stoff liegt der antike Mythos um die Geburt des Halbgottes Herkules zugrunde. So komisch die Geschichte auch sein könnte – vom Gott Jupiter, der in Menschengestalt auf die Erde kommt und Amphitryons Frau Alkmene während dessen Abwesenheit verführt und mit ihr ein Kind zeugt, wie auch diejenige von Amphitryons treuem Diener Sosias, der Merkur in Gestalt seiner selbst bei seiner Rückkehr zu Hause antrifft –, die angerichtete Verwirrung ist mit den Mitteln der Vernunft nicht zu begreifen und stürzt die unschuldig Betroffenen in eine tiefe Bewusstseinskrise. Während Sosias stoisch die Aberkennung von Namen, Ehebett und Kleidung bis hin zum eigenen Körper erträgt und die Erlösung abwartet, fällt Amphitryon, der selbst von seiner geliebten Frau Alkmene nicht mehr als dieser erkannt wird, ins Bodenlose.

Was bleibt von uns übrig, wenn uns die Identität aberkannt, unsere Selbstgewissheit aufgelöst wird – und gar das eigene Augenlicht uns Lügen straft? Durch ein göttliches Spiel steht nichts weniger als die Beglaubigung des eigenen Ich in Zweifel und ermächtigt nur die Götter selbst, mit der Aufklärung desselben die Ordnung der Welt wiederherzustellen. Kleist beschreibt in seinem Lustspiel die zeitlose menschliche Zerbrechlichkeit, indem er sie der Zerstörung durch die Aberkennung des Menschseins aussetzt.

In der Inszenierung von Hausregisseurin Julia Hölscher spiegelt sich die zerrissene Selbstsuche der Protagonist*innen in einem gekonnten Verwirrspiel zwischen Lust, Ernüchterung, Selbstbehauptung und Verlorenheit wider. Am 23. Januar 2020 folgt ihre neue Arbeit für das Residenztheater, «Der starke Stamm».

Kritiken

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Max
Kuhlmann

qooz - aus dem Leben

Ihre [Julia Hölscher's] Inszenierung des „Amphitryon“ ist keine freie Interpretation von Heinrich von Kleists Lustspiel. Es ist eine sich nahe am Original orientierende Inszenierung – versehen natürlich mit vorsichtig eingestreuten, fast unumgänglichen Modernisierungen. Mehr an Modernisierung aber nicht.
Der Text etwa ist natürlich nicht wortgetreu, sondern für die Bühnenfassung etwas erleichtert. Die Spielweise der SchauspielerInnen ist zeitlos, nicht etwa veraltet. Auffallend ist besonders das Bühnenbild von Paul Zoller. Eine „Sensation“ schreibt die SZ (Egbert Tholl). Naja.
Gerade das Bühnenbild versucht jedenfalls, das Thema von Amphitryon deutlich aufzugreifen: Spiegelung, Verdoppelung. Und das gelingt auch wirklich gut!
Amphitryon und sein Diener Sosias kehren ja nach Theben zurück – nach Beendigung des Krieges gegen Athen – und müssen erfahren, dass sie schon da sind! Jupiter und Merkur haben sich in gleicher Gestalt schon eingefunden. Das ist das Thema.
Schon vor Beginn der Aufführung etwa sitzen die Zuschauer dementsprechend vor einer riesigen Spiegelwand, der die große Bühne des Residenztheaters verschließt. Sie sehen den ganzen Zuschauerraum. Manch Zuschauer*in fotografiert es, manche*r winkt dem eigenen Spiegelbild zu, jede*r wird sich automatisch selber gesucht haben. Der riesige Spiegel hebt sich zu Beginn der Aufführung und wird immer wieder Blicke auf die Bühne von oben ermöglichen.

Jeder steht eben immer wieder seinem Spiegelbild gegenüber und ist mehr oder weniger zufrieden damit. Und jede*r andere sieht einen immer anders. Das kann an die Substanz gehen. Ein generelles Thema, wir kennen es alle.
Schauspielerisch fiel auf, dass besonders Florian von Manteuffel als Amphitryon seiner Rolle viel Komik beigab. Anders als Pia Händler in der Rolle von Alkmene. Es blieb daher auch bei Julia Hölschers Inszenierung eine nicht ganz klare Mischung aus Komik und Tragik. Aber Florian von Manteuffel spielt ja gerne mit einer gewissen Komik, so ja auch in „Tartuffe oder das Schwein des Weisen“, das in Basel lief und demnächst auch am Residenztheater kommt.
Schön ist insgesamt – seit ein paar Wochen zu sehen – das fast komplett neue Ensemble des Residenztheaters! Viele junge, sehr engagierte SchauspielerInnen, die den Inszenierungen frischen Wind geben. Gute Typen* innen.
Zu Heinrich von Kleist:
Heinrich von Kleist war jung, als er Amphitryon schrieb. 1807 war er gerade einmal 30 Jahre alt. Er wurde auch nur 34 Jahre alt, beging Selbstmord. Sein Todestag jährte sich gerade, er nahm sich und seiner Freundin Henriette Vogel am 21. November 1811 das Leben.
Amphitryon war noch dazu eines seiner eher frühen Stücke. Erst in den Folgejahren wurde er richtig produktiv.
Amphitryon ist ein „Lustspiel nach Moliere“, so schon immer der Untertitel. Es sollte eine Übersetzung werden, Kleist hat der Übersetzung dann aber doch tragische Komponenten beigefügt. Es gab also auch schon damals Stücke, die – wie ja auch heute oft im Theater – „NACH“ einem anderen Stück inszeniert werden. Eine weitere Verdoppelung wäre es gewesen, wenn Julia Hölscher eine Amphitryon-Inszenierung NACH Heinrich von Kleist NACH Moliére gebracht hätte. Es hätte gepasst.
Inhaltlich:
Auf den ersten Blick ist Amphitryon wie Bauerntheater: Eine Verwechslungskomödie. Ich frage mich, warum Kleist in jungen Jahren schon daran interessiert war. Aber er lebte wohl sehr intensiv. Von einer möglichen Antwort liest man: Heinrich von Kleist war am Thema: „Subjektives und Objektives“, besonders am „Subjektiven“ interessiert.
Und so kommt man zu diesem Stück. Alkmene – Amphitryons Ehefrau – weiß nicht mehr, was objektiv richtig ist. Wer ist der richtige Amphitryon? Und andererseits verlieren Amphitryon und Sosias ihre Subjektivität, werden darin erschüttert, geben sie auf! Viel mehr wird allerdings bei Kleist nicht aus diesem Gedanken gemacht.

Max Kuhlmann   // qooz - aus dem Leben

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