Während wir voll Freude die ersten Vorstellungen, die Sie bald wieder auf der Bühne erwarten werden, vorbereiten, möchten wir Sie zu einem ersten Schnupperblick ins Residenztheater einladen: Und zwar – ganz wie im Museum – in Form eines Rundgangs, auf dem bestens vertraute Orte in ein theatrales Licht getaucht werden und sich manche Tür öffnet, die für das Publikum sonst verschlossen bleibt. In Miniaturszenen testen wir, wie sich Momente aus unserem Repertoire in der neuen Lebenssituation anhören, womöglich ganze neue Resonanzen erleben und wie Schauspieler*innen und Zuschauer*innen sich wieder begegnen können – mit dem gebotenen Sicherheitsabstand, aber auch mit aller Direktheit, die dem Theater eigen ist und die uns in der derzeitigen Vereinzelung so fehlt.
Besuchte Vorstellung: 07. Juni 2020
AHHHHHHHHH! Wahnsinn. Wahrscheinlich spreche ich einigen derjenigen, die das hier lesen, aus der Seele, wenn ich beschreibe, wie ich am liebsten ganz laut „EEEENDLIIIIIICH!!!!!“ schreien wollte, als ich ins Theater rein und auch wieder raus gegangen bin. Fast drei lange Monate ohne Theater und dann stehen wir da. Wie eine Schulklasse warten wir zu viert in unsere Gruppe um kurz vor 18.50 Uhr vor dem Eingang des Residenztheaters und luschern durch das Glasfenster ins Foyer. Dort sehen wir schon die erste Stationen des Theaterparcours, erkennen die wohl vertrauten Gesichter zweier Schauspielerinnen Pauline Fusban und Juliane Köhler und werden mit dem Ersten Dialog zweier Kosmetikerinnen in quietschgelben Kostümen aus „Für immer schön“ begrüßt. Wir wurden mitgenommen in die Blaue Grotte und durften einen wunderbaren lustigen Monolog über Gedanken und Verdrängungsstrategien aus Wolfram Lotz „Einige Nachrichten an das All“ hören. Wir standen zu viert auf der Bühne des Residenztheaters, wurden Backstage hinter den Eisernen Vorhang geführt und sahen einen Lichtkegel, in den sich langsam Thomas Lettow in glänzendem Overall waberte und mit uns utopisch/ dystopische Motive auf eine seltsam emotional vertraute Art und Weise teilte. Wir waren in den Werkstätten Backstage bei den „Sommergästen“ und hörten einen vertrauten Dialog aus „Die Verlorenen“ von Myriam Schröder und Johannes Nussbaum. An all diesen Stationen hatten wir kleine private Vorführungen von je ein bis zwei Schauspieler*innen für vier bis acht Zuschauer*innen, die uns auf unterschiedlichster Weise auf diese privaten Szenen mitnahmen. Wo es als nächstes hin ging wussten wir nie. Wie eine Reisegruppe folgten wir den Theaterbegleiter*innen durch das Residenztheater.
Auch wenn die Schauspieler*innen sicherlich durch unsere Masken ein differenziertes Verhältnis zu uns aufgebaut haben, fühlte ich mich ihnen sehr nah und aktiviert in den einzelnen Kurzdramen. Falls bei einigen Leser*innen jetzt aber die Alarmglocken klingen und sie Angst haben, dass der Parcours unangenehmes Mit-mach-Theater sein könnte – das ist überhaupt nicht der Fall. Ich hatte viel mehr das Bedürfnis durch meine Augen den Spieler*innen meine Begeisterung mit zu teilen und aktiver werden zu wollen, als dass ich aus meiner Komfortzone gerissen wurde.
Coronamäßig braucht man sich absolut keine Sorgen machen, das Team hat alles so vorbereitet, dass auch die sehr vorsichtigen Vertreter*innen keine Sorge haben müssen, dass irgendwo eine kleine Vire durch den Mundschutz kommen könnte.
Etwas bedeutungsschwanger also ein riesen großes Dankeschön, an das Team des Residenztheater und an dieses Theater in seinen abstraktesten und unterschiedlichsten Erscheinungsformen. Wenn das Theater eine Person wäre würde ich es abknutschen, aber das geht leider nicht. Schön, dass ihr wieder da seid und ich freue mich auf die nächsten Erfahrungen in allen Theatern der Stadt in den kommenden Wochen und viel Kraft beim Daumendrücken – bald ist der Spuk hoffentlich zu Ende. Und ob Corona oder nicht, das Format eines Theaterparcours sollte unbedingt bestand haben. Es bringt Spaß, schafft neue Begegnungsräume und hat eine sehr interessante Qualität und Potential einer neuen Zuschauer*in-Spieler*in-Beziehung.
Besuchte Vorstellung: 07. Juni 2020
Das erste Mal Theater seit wie vielen Wochen? Schon vor dem Theaterhaus sind wir ganz aufgeregt das Gebäude zu betreten – endlich wieder von Innen sehen. Vor allem aber: Menschen nicht über den Bildschirm beim Schauspiel beobachten, ihnen in die Augen schauen und Teil einer Atmosphäre sein.
Kaum treten wir ein, werden wir von Juliane Köhler mit einer Szene aus „Für immer schön“ begrüßt. Natürlich ist es eigentlich gewöhnungsbedürftig nur in Kleingruppen durch das Theaterhaus geführt zu werden, wie in einem Museum. Aber es stört nicht. Die eigene Euphorie überblendet alles, auch der Mindestabstand wird gerne eingehalten und die Maske wird getragen ohne Gedanken daran, ob man jetzt gut dadurch atmen kann oder nicht. Wir werden von Station zu Station geführt: Vor die Bühne, auf die Bühne, hinter die Bühne etc. Wer es also bisher verpasst hat an einer Führung durch ein Theaterhaus teilzunehmen, kann das sozusagen in einem 2 in 1 Paket erleben.
Die Monologe sind gut gewählt und wirken gar nicht kontextlos. Sie sind stimmig in sich. Die Erfahrung erlebt man als Glied einer Gruppe. Gerade in der Zeit von Corona schätzt man jede soziale Erfahrung und durch die kleine Gruppe und die Nähe zu den Schauspieler*innen fühlt sich das Erlebnis Theater beinahe noch sozialer an als zuvor. Oder vielleicht wirkt es auch nur so aus einer Monatelangen Theaterdürre heraus.
In den Schauspieler*innen ist zu sehen: Sie haben das Theater vermisst! Verdeckt durch die Maske kann man mein großes Grinsen zwar nicht sehen, aber ich habe das Gefühl, dass ich und meine Gruppenmitglieder die Inszenierung so freudig und mit riesigen Augen verfolgen, dass das trotz Maske zu sehen ist. Je nach Aufteilung und Vorstellungsbeginn sehen die Zuschauer*innen unterschiedliche Szenen und Monologe. In diesem Beitrag kann ich also nicht für alles sprechen, aber das Theatererlebnis an sich ist nach so einer langen Zeit euphorisierend.
Aber auch von dieser neuartigen Euphorie abgesehen, geht das Konzept auf. Theater als Museum oder als Parcours ist nicht nur etwas für Corona Zeiten. Damit wird eine Intimität zwischen Publikum und Schauspieler*innen erschaffen, die in so großen Theatersälen wie in dem des Residenztheaters bei „normalem“ Betrieb nicht generierbar ist.
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