Heldenplatz

Nach Thomas Bernhard - in einer Fassung mit neuen Texten von Falk Richter  

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Schauspiel 
Schauspielhaus  

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Information

Dauer
150 Minuten
Pause
mit Pause
Sprache
Deutsch
Übertitel in
Englisch
Bühne
Schauspielhaus  

Beschreibung

Wann ist in einer zunehmend von Antisemitismus und Menschenfeindlichkeit durchzogenen Gesellschaft der Zeitpunkt gekommen, sich in Sicherheit zu bringen und das Land zu verlassen? Thomas Bernhards letztes und skandalträchtigstes Theaterstück ist ein wütender, verzweifelter Text über den untoten Ungeist des Faschismus. Ein Werk von gespenstischer Virulenz in Zeiten, in denen in Europa Antisemitismus, Rechtsterrorismus und Ausgrenzung von Minderheiten wieder beängstigende Konjunktur haben. Falk Richter gleicht seine Gegenwartsanalyse mit Bernhards modernem Klassiker ab und fragt nach den Gefährdeten und ihrer Situation heute.

Kritiken

Gespenstisch aktuell: Falk Richter inszeniert Bernhards „Heldenplatz“ in München

Anna Landefeld   // Deutschlandfunk Kultur

„Ein bravouröses Ensemble ist in Falk Richters Überarbeitung von Thomas Bernhards legendärer Abrechnung mit Österreich zu erleben. (…) Richter schält eine neue, höchst aktuelle Botschaft von „Heldenplatz“ heraus.“

In die Mitte gezielt

Immer wieder, immer wieder – dabei war man sich doch so einig, so fest entschlossen über das "Nie wieder". In die düsterste Schwärze des Bühnenraumes dröhnen sie hinein, als böses, alles überwältigendes Echo, die "Sieg Heil!"-Rufe. Lauter, immer lauter. Dazu verkörnte Aufnahmen des menschengedrängten Heldenplatzes in Wien, das Meer der emporgereckten Arme, um den einfahrenden Adolf Hitler ekstatisch zu empfangen. Dagegengeschnitten Aufnahmen kahlgeschorener Fratzen, die immer noch durch die Innenstädte marschieren und immer noch Widerwärtiges rufen. Davor an einer langen, schwarzen Tafel eine Trauergemeinde. Zehn Menschen, die erstarrt sind, kalt von unten beleuchtet, die gerade ihren Vater zu Grabe getragen haben, jenen jüdischen Professor, der die Parolen, das ewige Unbehagen nicht mehr aushielt und sich aus dem Fenster stürzte. Spukhaft ist diese letzte Szene in Falk Richters Inszenierung von Thomas Bernhards "Heldenplatz" an den Münchner Kammerspielen, in der sich Vergangenes und Gegenwärtiges miteinander verschränken und beängstigend verschmelzen.

Theaterskandal in Wien

Der "Heldenplatz" hat in Deutschland kaum eine Aufführungstradition. Wohl auch, weil es Thomas Bernhard damit ein ausgesprochenes Österreich-Stück schrieb, zu einem Zeitpunkt, an dem sich der "Anschluss" zum 50. Mal jährte und die Affäre um Kurt Waldheim eine erste tiefgreifende Debatte um die Vergangenheit Österreichs in der Zeit des Nationalsozialismus ausgelöst hatte. Die Uraufführung 1988 unter der Regie von Claus Peymann im Wiener Burgtheater ist bis heute einer der größten Theaterskandale der Geschichte.

Dieses erblastigen Werks hat sich Falk Richter nun angenommen. Ungewöhnlich ist das für ihn, der doch als Autor immer so eng mit dem Zeitgeistigen verwebt ist, dessen Stücke so nah an der Gegenwart dran sind, dass sie ihr fast vorauseilen. Richter lässt Bernhard aber Bernhard sein, dazu sind seine Analysen zum Faschismus, zum Antisemitismus, zur konservativen-bürgerlichen Mitte, zur Politiker:innen-Kaste zu präzise, zu universal, zu unverzichtbar. Richter wäre aber auch nicht Richter, wenn er dem ganzen nicht auch noch seinen Kommentar mit einem dazwischengeschobenen selbstgeschriebenen Akt hinzufügen würde, womit er den "Heldenplatz" ins Jahr 2021 holt.

Fetischisierte Faschismus-Ästhetik

Erster Akt aber erstmal Bernhard. Er setzt wenige Tage nach dem Suizid des Professors Josef Schuster ein, der einst vor den Nationalsozialisten nach Oxford floh und Jahrzehnte später doch wieder in das Land zurückkehrte, aus dem er einst vertrieben worden war. Die Bühne, ein von schwarzen, raumhohen Straßenleuchten und roten Latexvorhängen gesäumter Raum. In der Mitte ein Fenster, jenes unglückliche Fenster vielleicht, aus dem der Professor in den Tod sprang. Davor ein schwarzer Haufen, verbrannte Kohlestückchen, jene Erde vielleicht, in der man ihn begraben hat. Ebenso zu Haufen aufgetürmt sind schwarze Lackschuhe. Von stählernen Seilen hängen Hemden, Anzüge. Kaltes Licht von den Seiten. Martialisch wirkt diese fetischisierte Faschismus-Ästhetik, die Bühnenbildner Wolfgang Meradi hier geschaffen hat.

Dazu Alltagspalaver von Annette Paulmann als patente Haushälterin Frau Zittel und Herta, dem Hausmädchen, die Katharina Bach mit leichenhafter Apathie verziert. Die sind schon so ein Gespann. Grün, dienstbotinnenhaft sind sie uniformiert, blond frisiert das Haar. So verbohren sie sich in die bernhardschen Zeilen: Geplänkel über englische Anzüge, Eheleben oder den Charakter des Verstorbenen kippt binnen weniger Halbsätze in Suaden über den Stumpfsinn und die Widerwärtigkeit des Untertanengeistes der österreichischen Bevölkerung. Dazu bügeln sie manisch-militärisch, aggressiv bürsten sie die unzähligen Schuhe, falten pedantisch Hemden – fast eine Stunde lang. Richter lässt sie das auskosten, gibt dem Bernhard-Text den Raum und auch die Zeit, die er braucht. Das ist nicht unbedingt angenehm, ein bisschen soll es einen schon auch quälen.

Collage des Widerwärtigen

Dazwischen immer wieder Videoprojektionen, als Störer, als Orientierungspunkte, damit keiner vergisst, worum es hier eigentlich geht. Dokumentarfilmer Lion Bischof hat die Aufnahmen zusammengesucht. Auf große Videoleinwände werden sie projiziert, eingefärbt in rot und schwarz, die NS-Aufmärsche, die BDM-Reigen, der Attentäter von Halle, die Hetzjagd von Chemnitz, Beate Zschäpes ausdrucksloses Porträt, aber auch die überlebensgroßen, überheblichen Gesichter von AfD- und CSU-Politiker:innen, aus deren Mündern Rassistisches und Antisemtisches schwallt über "Volk", "Vogelschiss" und den Tanz auf Gräbern. Es ist eine Collage des Widerwärtigen, die Richter und Bischof da erschaffen haben. Manchmal laufen die Aufnahmen in voller Lautstärke ab, manchmal legt sich ein dröhnender Industrieklang über sie, manchmal kommentieren die Aufnahmen einfach nur stumm den Bernhard-Text. Monumental ist das, lässt einen an Leni Riefenstahls Bildsprache denken, ohne sie aber zu verherrlichen.

Die Video-Ton-Collagen ebnen den Weg für Richters eigenen Zwischenakt, der sich sprachlich an Bernhard anschmiegt und dabei doch typisch Richter bleibt: Wütend, konkret, engagiert, klassischer Agitprop von einem Podest von der Bühne ins Mikro gebrüllt. Es ist eine Abrechnung, in der viel und alles drinsteckt: Vom NSU, über Hanau, Halle, QAnon, bis hin zu den "Querdenker"-Demonstrationen. Nur einer fehlt, der doch auch dazugehört: Ex-Politiker Sebastian Kurz. Dafür gibt es Medienkritik. Im Visier die Talkshows, natürlich, aber auch die Süddeutsche Zeitung, im Besonderen "irgendein Helmut", der seine antisemitische Attacke auf den Pianisten Igor Levit als Musikkritik tarnte.
Es ist die verschöngeistigte, bürgerliche Mitte, die Richter angreift, die die Parolen der Aufmärsche und Hetzjagden auf den Straßen salonfähig macht. Sein Akt ist ein Befreiungs-Akt voll notwendiger, angestauter rhetorischer Wut, der zeigt: Der "Heldenplatz" muss sein, denn er ist mitten unter uns.

Anna Landefeld   // Nachtkritik

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