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Information

Dauer
120 Minuten
Bühne
Kammer I  

Beschreibung

Die Grunge-Band Nirvana lieferte viel mehr als den Sound einer Generation. Sie ist Ausdruck eines verzweifelten Lebenswillens. Ich will nicht entmutigt sein, ich bin lieber wütend! Ausgerechnet ihre lautstarke Auflehnung wurde, ob sie wollten oder nicht, zum Mainstream der Verwertungsindustrie. Konsequenterweise rief Bassist Krist Novoselić beim Konzert am 1. März 1994 im ehemaligen Flughafen Riem „Grunge is dead“. Es sollte der letzte Auftritt der Band werden: Nach dem Konzert wurden alle Tourtermine in Europa abgesagt. Einen Monat später wurde Cobain in seinem Haus in Seattle tot aufgefunden.

Damian Rebgetz greift die Songs des letzten Nirvana-Konzerts auf. Als re-enactment untersucht „Nirvanas Last”, was es bedeutet, 25 Jahre nach dem letzten Auftritt der Grunge-Band, erneut ihr Konzert zu spielen. Wie konnte die antikapitalistische Gegenkultur, die Nirvana so erfolgreich machte, zum neuen Mainstream werden? Was bedeutet es, die ehemals jugendliche Protestkultur in die Kammer 1 der Münchner Kammerspiele zu tragen? Die Arrangements von Paul Hankinson ergeben an diesem Abend eine Formvielfalt zwischen Kunstlied und Grunge. Für den Theaterabend wurden die Songs des letzten Nirvana-Konzerts von Ann Cotten ins Deutsche übersetzt.

Kritiken

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Julia
Schleier

Theatertanten

Besuchte Premiere: 24. Oktober 2019

Nirvanas Last ist kein (gewöhnliches) Tribute Konzert für eine Grunge-Band – auch wenn das einige andere Premierengäste bestimmt erwartet haben. Damian Rebgetz verwebt auf den ersten Blick die Geschichte von Gründung bis Auflösung der Band nach Kurt Cobains Tod und die Setlist des letzten Nirvana-Konzerts mit einem bayrischen Heimatmythos. Auslöser dafür: Das letzte Nirvana Konzert überhaupt fand am 1. März 1994 ausgerechnet auf dem ehemaligen Flughafen München-Riem statt – alle weiteren Tourtermine danach wurden damals abgesagt und einen Monat später starb Frontmann Kurt Cobain. Auf den zweiten Blick merkt man aber, dass dieses Reenactment des letzten Nirvana Konzerts sich ständig selbst in Frage stellt: Kann man die Protestkultur des jugendlichen Grunge von damals überhaupt durch ein Reenactment des Konzerts reproduzieren? Oder verlagert man dadurch Nirvanas Alternativ-Rock zu sehr in den Mainstream? Rebgetz versucht in „Nirvanas Last“ eher die Wut der Band und den Protest des Grunges spürbar zu machen, anstatt dem Publikum einen schönen Abend beim Schwelgen in Nirvana Liedern zu bereiten.

Die Songs des letzten Nirvana Konzerts werden trotzdem gespielt – wurden aber für die Inszenierung von Ann Cotten ins Deutsche übersetzt, mit teilweise bayrischem Dialekt. Der Song „Sliver“ wird zu „Scheibchen“ und die Zeilen „Grandma take me home, I wanna be alone“ zu „Oma bring mi hoam, lass mi dan aloa“.

Was mich zunächst ein wenig nervt, ist der Anfang des Abends, an dem Rebgetz sich eine ganze Weile lang selber reden lässt. Er hat eine Art Märchenbuch in der Hand und leitet in die Geschichte von Nirvana ein. Das macht er witzig und ich glaube, mir würde es auch besser gefallen, wenn es nicht so unglaublich typisch für ihn wäre. Was mir daran aber trotzdem gefällt: Rebgetz ist wütend – besonders über die bayerische Willkommenskultur und das Gefühl nicht hierher zu gehören – und weiß, diese Wut subtil in Worte zu verpacken.

Der Abend folgt dann einem relativ strikten Aufbau. Ein Song folgt auf den anderen; Zeynep Bozbay, Christian Löber, Benjamin Radjaipour und Damian Rebgetz performen immer ein paar nacheinander. Ohne Zwischenapplaus wohlgemerkt, das war nicht erlaubt. Die letzten Songs singen sie am Ende dann gemeinsam. Die Texte in deutscher Sprache sind meist so leise und zart interpretiert (teilweise sogar irgendwie bluesig), dass sie nicht mehr wirklich an Nirvana erinnern.

Und so geht die Inszenierung vor sich hin, hat relativ lange keine wirklichen Höhen und Tiefen oder besondere Momente. Ich merke, wie ich mich zwischendurch in Gedanken verliere, lasse es aber zu. Denn so kann ich mich mehr auf das „Gefühl“ Nirvana einlassen, die deutschen Wörter bringen mich nämlich auf einmal erst so richtig dazu, über Nirvanas Texte nachzudenken. Und witzig ist das Ganze nach den ersten paar Liedern halt nicht mehr. Was mich in die Vorstellung zurückholt ist der Moment, als „Rape me“ zu „Vergewaltige mich“ wird, gesungen von allen vier Darsteller*innen. Die fromme, fast sakrale Interpretation lässt mir die Haare zu Berge stehen und ich merke, dass man Nirvana halt mal wieder so richtig zuhören muss, um zu verstehen, was die Band ausmachte.

Julia Schleier   // Theatertanten
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Ivana
Koschier

Theatertanten

Besuchte Premiere: 24. Oktober 2019

Ein neuer Abend in den Kammerspielen in einer neuen Spielzeit. Ich bin sehr gespannt, wie dieses letzte Jahr unter Lilienthal aussehen mag. Auf der Pressekonferenz zur jetzigen Spielzeit haben sich die Projekte sehr originell und interessant angehört; nach einigem, was es so noch nicht gibt. Nach Experiment.

Ein Abend zu Nirvana und ich frage mich, wie eine Band wohl in einer Theaterinszenierung umgesetzt wird. Noch besser: Es geht nicht nur um die Band, es geht konkret um ihr letztes Konzert, das passender Weise vor 25 Jahren damals in München stattgefunden hat. Wird es eine Wiedergabe des Konzerts? Oder wird eine Geschichte über die Band an diesem Abend erzählt? Wie wird das alles im Zusammenhang zu München stehen? Ich muss gestehen, die Umsetzung überrascht mich aber überzeugt mich leider weniger.

Zu Beginn kommt Regisseur und Schauspieler Damian Rebgetz allein auf die Bühne. Er möchte zunächst ein bayerisches Märchen erzählen, dass laut dem darauffolgenden Satz aber gar Keines ist. Er liest aus einem großen Märchenbuch die Geschichte der Band Nirvana vor; wie diese von unbekannten, eigensinnigen Punkern zum bekanntesten Mainstream ihrer Zeit wurde. Die Erzählung ist hier aber bereits für meinen Geschmack zu banal und zu sehr ins Lächerliche gezogen, um Lacher zu kassieren. Zudem wurde unter anderem vorweggenommen, dass hier nicht Nirvana zu sehen sein wird, sondern Schauspieler des Ensembles und ähnliche solcher Informationen, die den Anfangspart für mich viel zu sehr in die Länge gezogen haben und die ich vor einer solchen Inszenierung nicht brauche.

Dann geht’s endlich los. Vier Schauspieler singen in vier aufeinander folgenden Solo-Performances die übersetzten Texte. Das immer direkt zum Publikum und tragen dazu Tracht, weite rote Ballkleider oder ein punkiges Outfit. In diesem Hauptteil vermisse ich neben den Zusammenhängen insbesondere die Tiefe zu den Themen. Ich finde schlecht übersetzte Texte aus der Mainstream-Branche vom Englischen ins Deutsche schon auch lustig, aber nicht 90 Minuten lang. Die zweite Seite des Abends soll eine Kritik an der bayerischen Lebensweise bzw. Mentalität oder Ähnlichem sein, so wird es zumindest im Prolog angekündigt. Bei mir kommt diese nicht an, weil hier wieder nicht tiefer und weiter darauf eingegangen wird. Im Prinzip passiert der Abend, neben ein paar traditionell bayerischen Elementen im Bühnenbild, bei zwei von vier Schauspielern einfach nur in Tracht, was einen lustigen Kontrast zu Nirvana herstellt und that‘s it. Im Hintergrund läuft auf einer Leinwand eine Videoinstallation, mal mit einem Wald oder den Bergen, mal werden Textstellen angeschrieben. Diese wirken für mich recht wahllos, aber sind von der Machart doch beeindruckend und gut gemacht.

Kurz vor dem Ende kommen einige Musiker auf die Bühne und setzen sich mit den Schauspielern zusammen, um eine vorletzte gemeinsame Performance darzulegen. Diese Szene finde ich sehr interessant und schön anzuhören, zieht sich allerdings, was ich mit dem erneut fehlenden roten Faden begründen würde. Hier entsteht aber eine Intimität zum und mit dem Publikum, die ich zeitweilen sehr genieße. Zuletzt kommen die Vier in sehr seltsamen Anzügen auf die Bühne (hier suche ich erneut vergeblich nach einem Zusammenhang), singen ein letztes Mal und legen Blumen auf die Bühne. Vielleicht die Metapher für das Ende der Band, das auf eine Art ja unwissend in München stattfand, aber final dann durch eine Beerdigung.

Mir persönlich fehlt an diesem Abend einiges, ich nehme wirklich wenig mit. Natürlich kann eine Inszenierung auch nur unterhalten und muss nicht sonderlich in die Tiefe gehen. Aber wenn es im Prolog angekündigt wird, einige Themen auch angeschnitten werden und dann aber viel zu oberflächlich bleiben, reicht mir das nicht. Zudem fehlt vermutlich ein direkterer Bezug, der in einer anderer Generation vorhanden ist und den ein oder anderen Punkt so noch etwas verständlicher macht. Nirvana war eben vor unserer Zeit. Mir war letzten Endes zu viel zu banal ins Lächerliche gezogen und so sind auch wirklich wichtige Themen vollkommen untergegangen.

Ivana Koschier   // Theatertanten
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Max
Kuhlmann

qooz - aus dem Leben

Das letzte Konzert von Nirvana fand in München statt. Hierzu gibt es jetzt an den Münchner Kammerspielen den Abend „Nirvanas Last“. Nirvanas letztes Konzert fand am 01. März 1994 in München, am ehemaligen Flughafen München Riem, statt. Es wird an den Kammerspielen komplett – Wort für Wort und Lied für Lied – nachgespielt. Ein Musikabend. Es waren damals zwei Konzerte angesetzt, nur eines findet statt. Curt Cobain brach die Tournee ab und beging kurz danach Selbstmord.
Ich habe nach dem gestrigen Abend noch jemanden gesprochen, der eine Karte für das zweite Konzert hatte!
Idee und Regie: Damian Rebgetz. Schauspieler und Performer an den Münchner Kammerspielen, der immer wieder auch eigene Stücke erarbeitet.
Ich war nie Nirvanafan. Sie sind an mir vorbeigegangen. Ich habe sie nie verstanden, fast nie gehört. Und trotzdem: Ich habe den Eindruck, dass es der Abend schafft, Nirvana irgendwie aus dem riesigen Schatten, dem tiefen Dunkel der Kommerzialisierung herauszuholen und völlig anders zu präsentieren. Das Dunkel, das Nirvana verschluckt hat, das Nirvanas Wut kommerzialisiert und damit letzlich wertlos gemacht hat. Alle Lieder werden Deutsch gesungen. Sie werden nicht im Nirvanastil gesungen. Zu Beginn des Abends sagt Damian Rebgetz: „Wir sind nicht Nirvana, wir sind Schauspieler der Münchner Kammerspiele.“
Die Songs werden langsam, ruhig, textbetont gesungen – ja gesungen, nicht gebrüllt. Fast melancholisch. Dann auch wieder etwas wütend. Wunderbar etwa die Wut von Zeynep Bozbay. Das Programmheft bietet alle Songtexte. Die damals gegebene Zugabe wird mit Streichmusikern geboten, siehe das Beitragsbild oben.
Nirvana erhält durch die vier jungen Schauspieler Damian Rebgetz, Benjamin Radjaipour, Christian Löber, und Zeynep Bozbay an diesem Abend tatsächlich ein Gesicht. Wunderbar etwa Christian Löber als Gitarrist. Allein die oft hilflosen Gesichtsausdrücke aller vier sind immer wieder eine Wonne, sie haben erstaunlicherweise auch immer wieder versteckt etwas Ironisches in sich. Aber sie sind nicht im geringsten aufdringlich. Alle bringen unterschwellig auch immer wieder eine Art Weltschmerz zum Ausdruck.
Was soll ich sagen: Es bleibt für mich letztlich ein unverständliches Gesicht von Nirvana, aber es ist wohl ein neues Gesicht! Kombiniert übrigens mit mitschwingendem bayerischen Hintergrund. Nirvana so zu präsentieren: Eine gewagte Sache, die sehr rund geworden ist!

Und es ist so treffend: Die Kommerzialisierung und die Münchner Kammerspiele! Es war die Münchner Stadtrats-CSU, die sich viel zu früh gegen die Intendanz von Matthias Lilienthal ausgesprochen hatte, weil ihr anfangs die Auslastung des Münchner Stadttheaters nicht gut genug schien! Was für eine Argumentation! Kommerzialisierung! Ist denn ein Bild Kunst dann, wenn viele Menschen vor ihm stehen bleiben? Wenn es sich kommerzialisiert?

Max Kuhlmann   // qooz - aus dem Leben

„Nirvanas Last“ ist erfreulicherweise kein gefälliges Tribute-Konzert, sondern der gelungene Versuch, Nirvana dem Mainstream-Geschmack wieder zu entreißen. Dass Damian Rebgetz und seine Mannschaft die Songs am Ende doch mitreißend zelebrieren – als pathetischen Kammerpop mit Flügel, Geige, Cello, Horn, Flöte und Gesang aus goldenen Kehlen und auf in goldenes Licht getauchter Bühne – ist nur scheinbar ein Widerspruch. Subversion mag im Stadttheater ähnlich schwierig sein wie im Showbusiness. Und doch funktioniert so eine Institution der Hochkultur fundamental anders als die Musikindustrie. Letztere duldet auf Dauer nur das Marktgängige. Der Subventionsbetrieb dagegen ist im Idealfall ein Schutzraum für das Non-Konforme. „Nirvanas Last“ ist der beste Beweis dafür.

Christoph Leibold   // Bayerischer Rundfunk

Die Musik erzählt alles von allein. Die Lieder, einst brachialer Auswurf eines Zorns, werden zu hochfragilen Gebilden, zu fragenden Zuständen, voller Zweifel und Poesie. Der Abend wird zu einem immer stärker anrührenden Requiem, von Starkult, Punkfantasie, Widerstand und Aufruhr bleiben Erinnerungen, die mit einer letzten Klage zu Grabe getragen werden, mit großer Würde und auch viel Schönheit.

Egbert Tholl   // Süddeutsche Zeitung

„Vergewaltige mich“, singt ein Chor aus queerem Hirsch, Waidmann, Femme Fatale und Waldelf so fromm, als handle es sich um eine bayerische Volksweise. „Vergewaltige mich“, trällert's von den Stufen der veilchenfarbenen Showtreppe, und ein Jagdhorn bläst vom Zuschauerbalkon. Und nachdem dieses Nirvana-Tribute-Konzert, das keines ist, eine knappe Stunde lang etwas unentschlossen geblieben ist, wird spätestens jetzt klar: Hier geschieht Grandioses.

Maximilian Sippenauer   // Nachtkritik.de

Die Zugaben sind dann fettes Kino für die Ohren, mit Trommel und Tremolo, Pop und Pathos: grandios, gefällig. Nirvana zum Niederknien. Virtuos führt das Ensemble der Münchner Kammerspiele bei diesen Songs vor, wie einfach es ist, Musik zu vereinnahmen und konsumierbar zu machen.

Michael Schleicher   // Münchner Merkur

Paul Hankinson hat die Titel arrangiert, Ann Cotten die Texte ins Deutsche, teilweise auch ins Bayerische, übertragen und Rebgetz feuerte damit und mit herrlichem Erinnerungsschmäh eine ungemein flippige Uraufführung ab.

   // Donaukurier

Bewertungen

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Mitwirkende

Produktionsteam  

Übersetzung
Ann Cotten  
Musikalische Leitung
Paul Hankinson  
Musikbearbeitung
Paul Hankinson  
Lichtdesign
Max Kraußmüller  
Video
Amon Ritz  
Inszenierung
Damian Rebgetz  
Bühne
Janina Sieber  
Kostüm
Veronika Schneider  
Dramaturgie
Martin Valdés-Stauber  

Besetzung  

Darsteller*in
Julia Bassler  
Darsteller*in
Zeynep Bozbay  
Darsteller*in
Stefano Brusini  
Darsteller*in
Sachiko Hara  
Darsteller*in
Mareike Kirchner  
Darsteller*in
Christian Löber  
Darsteller*in
Benjamin Radjaipour  
Darsteller*in
Damian Rebgetz  
Darsteller*in
Janine Schöllhorn  
Horn
Stefano Brusini  
Horn
Konrad Probst  
Querflöte
Janine Schöllhorn  
Querflöte
Isabelle Soulas  
Violoncello
Katerina Giannitsioti  
Violoncello
Mareike Kirchner  
Violine
Julia Bassler  
Violine
Nina Takai  
Klavier
Sachiko Hara  

Weitere Hinweise

Hinweise
Uraufführung am 24. OKTOBER 2019

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